Wenn die pfälzische Küche auf ein Gericht ein Patentanspruch oder auf Markenschutz Anspruch hat, dann ist das der Pfälzer Saumagen. Schon in den benachbarten Regionen schütteln die davon hören, eher den Kopf. Zu Unrecht; denn der Saumagen schmeckt nicht nur ausgezeichnet, er enthält auch weniger Fett als z.B. Brüh- und Bratwürste. Wenn sich die Pfälzer uneins sind beim Thema Saumagen, dann eigentlich nur, wie man ihn isst: gekocht aus dem Sud oder in Scheiben angebraten – mit oder ohne die Pelle. Aber dazu später.
Der Saumagen passt zur Pfalz aus vielen Gründen. Zunächst einmal ist hier das Schwein der bestgeschätzte Fleischlieferant. Außerdem liebt der Pfälzer die kulinarische Fülle – und wer könnte diese besser repräsentieren als ein runder, wohlgeformter, mit Fleisch und Kartoffeln gefüllter Saumagen?
Grenzüberschreitende Popularität gewann das Gericht durch den früheren Kanzler Helmut Kohl. Seine internationalen Gäste mussten ihm nach Deidesheim folgen, wo sie den vom Sternekoch Schwarz kreierten Saumagen vorgesetzt bekamen. Manfred Schwarz – damals im Deidesheimer Hof – machte den Saumagen sozusagen gourmet-fähig.
Wie der Saumagen gelingt
Zunächst den Saumagen waschen und ggf. innen mit grobem Salz ausreiben. Den unteren Ausgang mit Küchengarn zubinden (Ich hatte meinen Saumagen von der Metzgerei Rettig aus Rimbach-Mitlechtern, die den Ausgang schon abgebunden hat). Der Phantasie, was die Füllung angeht, sind wenig Grenzen gesetzt. Ich habe auf das hauseigene Rezept zurückgegriffen, nach dem mein Vater viele Jahre in der Herbstzeit seine Saumägen zubereitet hat.

Appetitlich sieht er nicht aus
Zutaten:
300 gr Kalbfleisch
500 gr Schweinefleisch
200 gr Schweinebauch
Fülle von 3 groben Bratwürsten (ca. 300 gr)
500 gr Kartoffeln (vorwiegend festkochen)
3-4 Eier
150 gr Kartoffelmehl
Gewürze: pro 500 gr Fleisch 7 gr Salz, 1 TL geschroteter Pfeffer, Majoran, eine gute Prise geriebene Muskatnuss, außerdem Wacholderbeeren, Nelken und Lorbeerblätter für den Sud.
Das Fleisch schneide ich in kleine Würfel, die Kartoffeln schäle ich und schneide sie ebenfalls in kleine Würfel. Die Kartoffel blanchiere ich 5 Minuten in Salzwasser. Das alles wird mit den Gewürzen, Eiern und Mehl in einer Schüssel vermengt. Die Masse will sich anfangs nicht sonderlich gut verbinden, deshalb muss ich die Fülle kräftig durcharbeiten, bis sie sich kompakt anfühlt.

Geduldsspiel – den Saumagen füllen
Nun kommt die entscheidende Phase: das Füllen des Saumagens. Ich nehme dazu einen Esslöffel und gebe immer einen Löffel voll in den Magen und streiche immer wieder die Masse nach hinten gegen den abgebundenen Ausgang. Wichtig dabei ist, dass keine Luftblasen in der Masse bleiben. Nach 4-5 Löffelfuhren stumpe ich den Saumagen mehrmals auf, dass sich die Füllmasse gut setzt. Zu prall darf ich den Magen auch nicht füllen, weil er dann beim Garen platzen kann. Wenn die Fülle nun gut im Magen verstaut ist, binde ich die Öffnung, durch die ich füllte, ebenfalls zu und prüfe, dass sie gut verschlossen ist und kein Wasser eindringen kann.

Geschafft, die Füllmasse ist im Magen
Geduldsspiel 2 – Das Garen des Saumagens
Ein Saumagen braucht Zeit – und kochen darf er auf keinen Fall, sonst platzt er. Hier gehe ich auf Nummer sicher: ich fülle einen großen Kochtopf (16 l) mit heißem Wasser und erhitze es auf dem Herd bis auf etwa 80 Grad. Ich gebe die Nelken, Lorbeerblätter und Wacholderbeeren dazu und versenke den Saumagen in dem heißen Sud. Die Temperatur von 75 Grad einzuhalten – diese Aufgabe delegiere ich an meinen Sous-vide-Garer. Nach 30 Minuten nehme ich eine dünne Nadel und steche ein paar Löcher in den Magen, damit vorhandene Luft entweichen kann. 4 Stunden bleibt der Saumagen nun in dem Topf und gart vor sich hin.
Endlich – das Essen ist fertig!
Nachdem ich den Saumagen aus dem Topf geborgen habe schneide ich ihn an der Seite an, von der ich ihn gefüllt habe. Kann sein, dass der Anschnitt zerfällt, wenn doch Wasser hineingekommen ist. Die etwa 2cm dicken Scheiben richte ich auf dem Teller mit Sauerkraut an, der traditionelle Begleiter des Saumagens. In den Folgetagen schneide ich den Saumagen in 2cm dicke Scheiben, die ich in Butter anbrate.

Nachsatz:
Manche garen den Saumagen im Backofen. Das ist durchaus möglich, in dem Falle würde ich weniger Salz nehmen, da bei der klassischen Garmethode etwas Salz ins Kochwasser diffundiert. Meist ist noch etwas Fülle übrig. Die streiche ich in eine geölte Glasform und backe sie 45 Minuten bei 150 Grad im Backofen.

Pfälzer Saumagen
Zutaten
Method
- Den Saumagen waschen und mit Salz ausreiben und nochmals waschen, unteren Ausgang zubinden
- Kartoffeln schälen und würfeln und 5 Minuten in Salzwasser blanchieren
- Fleisch in kleine Würfel schneiden
- Alle Zutaten in einer Schüssel gut durchkneten
- Den Saumagen portionsweise füllen, achten, dass keine Luftblasen in der Füllung entstehen, immer wieder die Masse nach unten streichen
- Saumagen zubinden und 4 Stunden bei 75 Grad garen - sehr hilfreich ist hier ein Sous-vide-Garer - ggf. nach 30 Minuten mit einer Stopfnadel Löcher einstechen, dass Luft entweichen kann
Das nächste Mal nehme ich mehr Bratwurstbrät und schneide die Kartoffeln noch kleiner.
Pfälzer Saumagen: Ein kulinarisches und kulturelles Wahrzeichen der Pfalz
Bekanntlich wird die Pfalz immer etwas belächelt, möglich, dass auch unser Altbundeskanzler Kohl daran seinen Anteil hat. Wie auch immer, die Pfalz ist einer sehr liebenswerte Region, die viele Gesichter hat. Vom Pfälzer Wald kommen wir über eine Hügellandschaft mit der größten Weinbaufläche Deutschlands in die Rheinebene. Und gerade dort, wo der Pfälzer Riesling wächst und reift, wird der optimale Weinbegleiter des Saumagens erzeugt.
Der Saumagen ist eine pfälzische Spezialität, die aus den einfachen regionalen Zutaten hergestellt wird: Schweinefleisch, Kartoffeln, Zwiebeln und Gewürze. Diese werden zu einer schmack- bis herzhaften Füllung verarbeitet und dann in den Magen des Schweins gefüllt. Über die soziale oder kulturelle Positionierung des Saumagens gibt es unterschiedliche Ansichten. Diente der Saumagen diente als Proviant für Fuhrleute und Wanderer, die entlang der alten Handelsrouten durch die Pfalz zogen? Möglich, da er leicht zu transportieren und auch kalt gegessen werden konnte. Der Saumagen war so ein praktisches und nahrhaftes Gericht, das sich leicht transportieren ließ und eine gute Energiequelle für lange Reisen bot. Ganz anderer Ansicht sind diejenigen, die den Saumagen als Gericht schon immer als den Höhepunkt eines Schlachtfestes ansahen und sozusagen das Zentrum des Volksfestes diente.
Die Geschichte des Pfälzer Saumagens reicht weit zurück. Angeblich wurde schon in klösterlicher Umgebung im 15. Jahrhundert Sauemagen gemacht.
Heute ist der Pfälzer Saumagen weit mehr als nur ein einfaches Provinz-Gericht. Er hat sich zu einem Symbol der regionalen Identität. In der Pfalz wird er nicht nur zu festlichen Anlässen und Feiern serviert, sondern auch in vielen Gasthäusern und Restaurants als feste Speisekartenoption angeboten.
Der Saumagen im Weinort Deidesheim
Ein Ort, der eng mit dem Pfälzer Saumagen verbunden ist, ist die kleine Stadt Deidesheim. Hier, inmitten bester Weinlagen und historischen Gebäude, hat der Saumagen eine ganz besondere Bedeutung erlangt. Dies ist vor allem dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zu verdanken, der ein gewichtiger Botschafter der Pfälzer Küche war. Ob Kohls Staatsgäste, die im Deidesheimer Hof einen Teller Saumagen serviert bekamen, immer mit vollem Zutrauen zugriffen, mag dahingestellt bleiben. Auch wenn das Gericht vom Sternekoch Manfred Schwarz zubereitet wurde. Hier zu gibt es auch einen Witz, der sich um die damalige Bewirtung des französischen Staatspräsidenten Mitterand dreht, den ich mit Rücksicht auf die Pfälzer Nachbarn im Westen hier nicht erzähle.
Die Bedeutung des Pfälzer Saumagens geht jedoch über seine gastronomischen und politischen Verbindungen hinaus. Er ist ein Symbol für die Bodenständigkeit und die kulinarische Vielfalt der Pfälzer Küche. Seine Zubereitung erfordert handwerkliches Geschick und Liebe zum Detail, und sein einzigartiger Geschmack spiegelt die Aromen und Traditionen der Region wider.
Der Saumagen in der heimischen Familienküche
In der Küche meiner Eltern hatte unsere Mutter das Regiment. Aber der Saumagen war die Domäne unseres Vaters. Ich sehe noch, wie er die Zutaten bereitstellte, die Gewürze abwog und den gewässerten Saumagen, der an der einen Seite schon abgebunden war, bereitlegte. Dann kam die große Schüssel zu ihrem Recht, in der alle Zutaten hingebungsvoll vermengt wurden. Wenn man das von Hand macht, wird es irgendwann ziemlich anstrengend. Wenn sich die Masse innig vermengt, dann wird sie auch fester und bietet den Händen mehr Widerstand. (ich weiß auch nicht, ob es eine Küchenmaschine gibt, die so groß ist, dass sie alle Zutaten fassen kann). Zum Garen hatten wir einen großen, blau emaillierten Einmachtopf, der mit heißem Wasser gefüllt wurde. In der damaligen Zeit gab es noch keine Induktionsherde, mit denen die Temperatur geregelt werden konnte. Deshalb musste die Wassertemperatur mit einem Einmachthermometer überwacht werden. Kochen durfte das Wasser auf keinen Fall. Nach etwa 4 Stunden war der Saumagen fertig und konnte aus der Wassertaufe gehoben werden. Der spannende Moment kam, wenn er angeschnitten wurde. Denn der Aufschnitt zeigte, ob die Konsistenz gelungen war. Der Saumagen sollte in der Struktur nicht zu fest sein. Aber er darf auch nicht so wenig Bindung haben, dass er beim Anschneiden zerfällt. Die konventionellen Saumägen sind meistens durch Bindemittel fester und die Zutaten sind meist stärker zerkleinert, was ihnen aber den eigentlichen Charakter eines Saumagens nimmt. Irgendwie ist es der Saumagen eine Mischung oder ein Zwitter zwischen Wurst und Terrine. Bei Wurst wäre in dem Falle der Magen die Wursthaut. Und naja, Terrine nicht im Sinne der Edelgastronomie, aber doch in Anspielung auf die Kombination der verschiedenen Zutaten, die bei niedriger Temperatur gegart werden.
Die Zubereitung des Pfälzer Saumagens erfordert Geduld und auf keinen Fall gilt er als schnelles Gericht. Im Gegenteil! Wichtig ist dabei auch, dass man Fleisch von bester Qualität erhält. Denn ein Saumagen, dessen Inhalt schrumpft, weil das Schweinefleisch Wasser zieht, ist bestenfalls noch essbar, mehr aber nicht. Man sollte also schon sich die Mühe machen und einen Lieferanten suchen, der seine Schweine noch frei hält, ihnen viel Platz lässt und ggf. auch etwas älter werden lässt als heute üblich. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind die Kartoffeln. Vorwiegend festkochende oder noch eher festkochende Kartoffeln finde ich am besten geeignet. Schließlich sollten die Kartoffeln nicht im Saumagen zu Püree verkochen. Da die Pfalz auch eine große Affinität zur Erdknolle Kartoffel hat – hier als Krumbeere bezeichnet –, sollte es nicht so schwerfallen, in der Region auch die passende Kartoffel zu finden. Ach ja und der Saumagen selbst – nun den bestelle ich beim Metzger, der so nett ist, den Darmausgang schon abzubinden. Möglich, dass man das aber nur bekommt, wenn man auch aus einer „Saumagen-Gegend“ kommt.
Was den Pfälzer Saumagen auszeichnet, ist nicht nur sein einzigartiger Geschmack, sondern auch seine vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten in der Küche. Selbstverständlich kann man ihn sofort aufgeschnitten servieren, in Begleitung von Sauerkraut und / oder Kartoffelpüree (letzteres ist m.E. unnötig, da ja schon Kartoffeln drin sind). Alternativ brät man die etwa 2 cm dicken Scheiben in einer Pfanne an und servier ihn mit einem guten Endividensalat. Ist er fest genug kann man ihn auch dünn aufschneiden und kalt servieren.
Zuletzt die Frage: welcher Wein passt zum Saumagen. Dass es ein Pfälzer Wein steht außer Frage. Ich persönlich bevorzuge einen kräftigen trockenen Weißwein dazu. Hier bietet sich selbstverständlich der Pfälzer Riesling an. Neben den besten Lagen in Deidesheim könnte der auch von der Nachbargemeinde Forst kommen – z.B. ein Forster Pechstein oder Ungeheuer. Je nach Würze und Geschmacksrichtung passt aber auch ein trockener Silvaner, oder ein Sauvignon blanc. Selbst ein Muskateller kann – je nach Würze – mit dem etwas süßlich schmeckenden Schweinfleisch harmonieren. Möglicherweise passt auch ein gut ausgebauter Portugieser dazu. Der Portugieser ist eine weit verbreitete Rotweintraube und eine regionale Spezialität wie der schwäbische Trollinger. Allerdings sollte man hier testen, denn viele Portugieser sind leider doch recht geschmacksarm.





